Teil 1: Der Verlust des Mandates Kraft Gesetzes
Verlust des Verwaltungsratsmandats bei unterlassener Einberufung der Generalversammlung
Nach Schweizer Gesellschaftsrecht gibt es klare Vorgaben zur Abhaltung der ordentlichen Generalversammlung. Wird dieser Pflicht nicht nachgekommen, hat dies direkte Konsequenzen, insbesondere für den Verwaltungsrat.
Rechtliche Grundlage
Gemäß Artikel 699 des Obligationenrechts (OR) ist die ordentliche Generalversammlung jährlich innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres abzuhalten. Der Verwaltungsrat trägt die Verantwortung für die fristgerechte Einberufung dieser Versammlung (Art. 716a OR).
Kommt der Verwaltungsrat dieser Pflicht nicht nach, greift Artikel 731b OR, der Maßnahmen für den Fall von Mängeln in der Organisation der Gesellschaft vorsieht. Zu den möglichen Konsequenzen gehört der automatische Verlust des Mandats der Verwaltungsratsmitglieder.
Automatischer Verlust des Mandats
Wenn die Generalversammlung nicht innerhalb von sechs Monaten abgehalten wird, gelten die Verwaltungsräte automatisch als ihres Amtes enthoben. Dies erfolgt unabhängig von einem aktiven Beschluss oder einer Klage. Der Mandatsverlust tritt ein, weil die Gesellschaft ohne ordnungsgemäß bestellten Verwaltungsrat als führungslos gilt, was eine Verletzung der gesetzlichen Vorgaben darstellt.
Folgen des Mandatsverlustes
- Rechtlicher Stillstand: Ohne Verwaltungsrat ist die Gesellschaft handlungsunfähig, da wichtige Entscheidungen und Pflichten nicht wahrgenommen werden können (z. B. Eintragung ins Handelsregister, Abschluss neuer Verträge).
- Eingreifen des Handelsregisteramts: Das Handelsregisteramt wird in der Regel aktiv und fordert die Gesellschaft zur Behebung der Mängel auf.
- Gerichtliche Maßnahmen: Falls die Gesellschaft keinen neuen Verwaltungsrat bestellt, kann das Gericht auf Antrag einer betroffenen Partei (z. B. Gläubiger) Maßnahmen ergreifen, wie:
- Ernennung eines Sachwalters;
- Auflösung und Liquidation der Gesellschaft nach den Bestimmungen des OR.
Pflichten und Risiken des Verwaltungsrats
- Haftung: Die Verwaltungsräte bleiben trotz Mandatsverlust für vorherige Handlungen haftbar. Insbesondere können sie für Schäden haftbar gemacht werden, die durch die unterlassene Einberufung der Generalversammlung entstanden sind (Art. 754 OR).
- Bußgelder: Nach Artikel 940 OR können Verwaltungsratsmitglieder, die ihrer Pflicht zur Organisation der Generalversammlung nicht nachkommen, mit Geldstrafen belegt werden.
Empfehlungen zur Vermeidung des Mandatsverlustes
- Fristgerechte Einberufung der Generalversammlung: Der Verwaltungsrat sollte frühzeitig planen und spätestens sechs Monate nach Geschäftsjahresende die Versammlung abhalten.
- Protokollierung der Versammlungsbeschlüsse: Die Beschlüsse der Generalversammlung müssen ordnungsgemäß dokumentiert werden, um Nachweise für die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben zu haben.
- Kommunikation mit Aktionären: Transparente Kommunikation mit den Aktionären hilft, Verzögerungen bei der Durchführung der Generalversammlung zu vermeiden.
- Professionelle Unterstützung: Die Einschaltung eines Treuhänders oder Rechtsanwalts kann dabei helfen, Fristen und Formalitäten einzuhalten.
Praxisbeispiel
Eine Aktiengesellschaft schließt ihr Geschäftsjahr am 31. Dezember 2023 ab. Bis spätestens 30. Juni 2024 muss die ordentliche Generalversammlung stattfinden. Wird diese Frist versäumt, verlieren die Verwaltungsratsmitglieder automatisch ihr Mandat. Die Gesellschaft ist ab diesem Zeitpunkt ohne handlungsfähiges Organ, was die Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt und eine Intervention des Handelsregisteramts oder des Gerichts wahrscheinlich macht.
Schlussfolgerung
Die fristgerechte Abhaltung der Generalversammlung ist eine zentrale Pflicht des Verwaltungsrats. Ein Versäumnis kann nicht nur zum automatischen Mandatsverlust führen, sondern auch schwerwiegende Konsequenzen für die Gesellschaft und deren Handlungsfähigkeit haben. Unternehmen sollten daher die Fristen und gesetzlichen Anforderungen strikt einhalten, um Risiken zu minimieren.